Neuroriding in der Anwendung für Gelände- und Jagdreiter unter der Leitung von Alexandra Kappes vom 26.11.2022 beim Reit- und Rennverein Walldorf
Sehr unterschiedliche Fragestellungen bewegten mich und meine Freundin dazu am Neuroriding Kurs teilzunehmen – beide hatten wir das Ziel entspannter und leichter reiten zu können und die jeweiligen Knackpunkte zu bearbeiten.
Wir machten uns schon am Freitag auf den Weg -die beiden Pferde gut versorgt im Anhänger. Start in der Schweiz – Ankunft Walldorf 21:30Uhr. Jürgen nahm uns schon auf dem Weg zum Stall in Empfang und begleitete uns zum Stall. Wir durfte die Pferde im Berittstall unterbringen, die riesigen Boxen liebevoll gerichtet mit wunderbar duftendem Heu. Feli und Dino fühlten sich sofort wohl und nicht nur die Pferde – auch wir. Jürgen lud uns zum Apero ein und verwöhnte uns mit einer leckeren kalten Platte und einem sehr vollmundigen Weisswein. Eine fröhliche, ausgelassene Runde voller Neugier auf das, was da am nächsten Tag kommen mag.
Am Samstag gut erholt und voller Tatendrang ging es zeitig zum Reitverein. Wir schauten zunächst nach unseren Pferden, sie sahen sehr entspannt aus, also los zum Treffpunk und rüber zum Stell-dich-ein im Equestrian Center und Wirkungsort von Sir Waldo – dem hauseigenen Reitsimulator.
Wir wurden mit einem Sekt willkommen geheissen – aber auch Tee, Kaffee und Wasser fehlten nicht. Einige Teilnehmer standen noch in einem Stau, in lockerer Atmosphäre wurde bereits geschnackt und auch etwas gerätselt. Was werden wir lernen? Wie wird es wohl sein? Und wie fühlt sich so ein Reitsimulator an?
Alex erklärte bereitwillig, wie Sir Waldo eingesetzt wird und wie er den Reitern mit verschiedenen Problemstellungen helfen kann. Besonders eindrücklich die vielen Sensoren, wie sehr sitzt der Reiter wirklich im Gleichgewicht, wieviel Druck ist auf den Zügeln, sitzt der Reiter gerade? Der Reitsimulator liefert direktes Feedback, eine Korrektur ist direkt möglich und unzählige Wiederholungen. Stellt euch vor ihr könnt 30 oder gar 50 Sprünge reiten und werdet jeweils kontrolliert und dann auch korrigiert, ohne dass ein Pferd eingesetzt werden muss.
Nachdem alle fehlenden Teilnehmer eingetroffen waren, begrüsste Jürgen uns alle sehr herzlich und erläuterte, wie es zu der Idee zum Kurs kam – Es ist ein Experiment Neuroriding für den Jagd- und Geländereiter einzusetzen – Wie kann man Tradition und Innovation verbinden? Innovation meets Tradition!
Nun übernahm Alex und startete den theoretischen Teil: Erster Schritt etwas Hintergrundwissen: Was ist die neue Neuroriding Methode, wo und wie sie heute eingesetzt wird, was damit erreicht werden kann, wie unser Gehirn funktioniert und was das heisst– aber auch der Hinweis: Übung ist hier genauso wichtig wie bei jeder anderen Trainingsmethode und das Pferd gehört dazu! Das heisst spüren, Kontakt herstellen und erkennen, wie es meinem Pferd geht oder wie die Gesamtlage ist, weiterhin ist kontinuierliche Reflektion essentiell.
Der erste Teil verging wie im Fluge, Alex beantwortete jede Frage geduldig und anschaulich. Nun der Praxisteil – wir trainieren unterschiedliche Atemübungen – sie können helfen Stress abzubauen und wenn häufiger durchgeführt helfen sie Stressresistenz aufzubauen. Damit hat man die Möglichkeit aktiv zu trainieren und besser mit Stress umgehen zu können, und länger handlungsfähig zu bleiben.
Als Jagdreiter erinnert sich sicher der ein oder andere an das Gefühl einer Situation vielleicht nicht ganz gewachsen zu sein – die Strecke ist nicht bekannt, meine Mitreiter sind nicht immer kalkulierbar und deren Pferde manchmal auch nicht, vielleicht ist das eigene Pferd wenig erfahren oder etwas übermotiviert, vielleicht sind Reiter und Pferd noch wenig miteinander vertraut und manche Sprünge oder Situationen sind eine Herausforderung, die es zu händeln gilt. Hier kann gerade die erarbeitete Stressresistenz helfen sich länger sicher zu fühlen und damit kritische Situation souveräner meistern zu können. Alex als erfolgreiche und sehr erfahrene Dressurreiterin, die auch mal in der Vielseitigkeit unterwegs war, hilft direkt und gibt reiterliche Tipps – die Oh Shit Position als Basis und Hilfe. Sie reflektiert ihre Beobachtungen auf den letzten Jagden und versetzt sich in die Jagdreiter hinein. Ein Kerngedanke den ich für mich mitnehme: Die Angst dein bester Freund – ohne Angst kein Mut!
Und schon geht es weiter mit Übungen, Abklopfen des ganzen Körpers, spüren, fühlen und jeweiliges überprüfen. Wie reagiere ich? Eine Rumpfbeuge dient als Überprüfung. Wir testen ob die Übungen uns besser werden lassen. Nun legen wir uns auf die mitgebrachten Yogamatten und machen eine ganze Reihe von Übungen. Diese fördern die Wahrnehmung, Anspannung und Entspannung sind wichtig, frei werden und beobachten. Der ganze Körper wird einmal durchgearbeitet und befähigt klarer mit sich zu sein. Die fast intuitive Wahrnehmung prüfen wir mit einer Fokusübung, kleine Hütchen umlaufen und den Fokus auf einen Punkt nicht verlieren. Dabei zeigen sich Unterschiede bei den Reitern, für einige kein Problem, für andere etwas schwieriger und wieder andere eine richtige Herausforderung.
Eine weitere Erkenntnis für mich – GIM: Gefahren in mir, SIM: Sicherheit in mir. Nicht zu verwechseln mit GIN und Tonic 😊
Und nun wird es Zeit sich auf die Pferde – die echten zuerst – zu schwingen und gezielt mit dem Pferd zu arbeiten. Unsere Gruppe mit 4 sehr unterschiedlichen Pferden und Reitern bietet die ideale Experiment Voraussetzungen – ganz unterschiedliche Problemstellungen. Alex stellt sich auf jeden optimal ein. Auf dem grossen Springplatz wärmen wir uns auf, Alex stellt uns bereits die ersten Aufgaben. Setzt eure Atmung ein – im Quadrat atmen, sowohl im Schritt als auch im Trab – gar nicht so leicht. Probiert es mal aus – immer bis 4 zählen – einatmen, halten, ausatmen, halten und wieder von vorne. Nächste Übung bis 10 zählen und jeweils 1km/h zulegen und wieder bis 10 zählen und langsamer werden – die Atmung und Körperspannung unterstützt und hilft die Aufgabe zu bewältigen. Nun geht es an die individuellen Aufgabenstellungen, für mich durch forcierte Einatmung etwas mehr Spannung aufbauen, eine Lochbrille verengt mein Sichtfeld, was das Fühlen unterstützt und unbewusst meinen Sitz strafft. Am Anfang fühle ich mich recht unsicher, mit der Zeit fühlt es sich fast normal an. Da sieht man wieviel unser Gehirn kompensieren kann. Die anderen sind mit anderen Aufgaben beschäftigt. Weiter geht es auf dem wunderbaren Grün und ein paar kleinen Hindernissen, Alex gibt uns direkt Feedback. Sie klopft meine Fusssohlen ab – dies aktiviert die Rezeptoren- und platziert den Fuss neu, leichter Sitz im Trockenen vorher und nachher Vergleich. Wie fühlt es sich an? Ungewohnt, aber leichter. Und nochmals über den Baumstamm. Die anderen setzen sicher über die Baumstämme, alle lachen und freuen sich! Jeder hat etwas für sich mitnehmen können und Veränderungen wahrgenommen. Nun darf die zweite Gruppe mit Sir Waldo starten, aber erst geniessen wir zusammen die leckere Selleriesuppe – eigens von Jürgen gekocht – ein wahres Gedicht!
Nach dem Mittag ist der Reitsimulator an der Reihe, Sir Waldo, bitte an den Start! Sabine ist die Erste. Sie sitzt sehr sicher, sehr gut ausbalanciert, die Springtrainingsreihe stellt kaum eine Herausforderung dar. Nach der Übung: Lass uns Vielseitigkeit reiten – vielleicht Aachen? Und los geht es, Galopp ist etwas zu langsam für den echten Jagdreiter, trotzdem ein großartiges Erlebnis und eine Herausforderung. Wie lenken, wie Gas geben, wieviel Druck an Bein und Zügel – ähnlich zum Pferd nur hier kann man auch an seine Grenzen gehen und stört den Partner nicht. Wow den Tiefsprung ins Wasser gemeistert und schon das nächste Hindernis – ups und auf dem falschen Weg.
Zeit für die nächste Teilnehmerin, hier wieder die Einführung, diverse Sprünge und Aaachen als Geländestrecke und das fast bis zum Ende geschafft. Alex korrigiert ab und an etwas am Sitz, hilft in der Ausführung und erklärt.
Der Tag endet mit vielen neuen Eindrücken, Erkenntnissen, auch Plänen und wir sind sicher, wir machen wieder einen Neuroriding Kurs. Experiment geglückt mit vielen zufriedenen Jagdreitern!!!
Am nächsten Tag sind wir zusammen ausgeritten. Herrliche, fast unendliche Sandwege, Reitwege mit dem ein oder anderen Sprung bei perfektem, herbstlichem Wetter. Für uns ideal, um das Gelernte gleich in die Tat umzusetzen!
Vielen lieben Dank an euch – Jürgen und Alex! Es war einfach toll! Perfekt organisiert, eine optimale Location und unglaublich gute Trainingsbedingungen, so viel Herzblut und Engagement von euch beiden! Danke für ein Traumwochenende!
Bericht: Judith Fiedler